29.8.2023 – Hanjo Hamann verrät in einem Beitrag, warum die gute alte Frontallehre „eine gefährliche Illusion“ erzeugt. Demnach belegen bereits Hunderte von Studien, dass Frontalvorlesungen geringeren Lernerfolg zeitigen als die sogenannte aktivierende Lehre.
Auditorium der Uni Darmstadt – Foto: Gaëtan Werp bei Unsplash
Sowohl mit Studien als auch mit eigenen Experimenten belegt Hamann, Jurist und Dozent, in seinem wachrüttelnden LTO-Beitrag, warum Frontalunterricht kein hinreichendes Lernen erzeugt:
„Ich erwähnte in der einführenden Vorlesungseinheit zum Handels- und Gesellschaftsrecht mein Studium an der Universität Heidelberg, deren Rektor damals Peter Hommelhoff war – ,ein sehr berühmter GmbH-Rechtler‘.
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Keine zehn Minuten (zwei Powerpoint-Folien) später ließ ich abstimmen, wofür P. Hommelhoff bekannt sei: Rechtsgeschäftslehre, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Examensrepetitorium oder Rechtsdidaktik.
Ganze 13 Prozent der Teilnehmenden beantworteten die Frage richtig.
Eine deutlichere Desillusionierung hätte ich mir für meine Studierenden nicht wünschen können. Und auch nicht für mich selbst.“
Wie oft habe ich es selbst erlebt, dass ich in einer sogenannten Vorlesung etwas erwähnt hatte, das aber kaum einer der Anwesenden kurz danach erinnern konnte. Sie etwa nicht?
Warum hätte mich das erstaunen sollen oder gar in Depression fallen lassen?
Es ist völlig klar, dass nur selbst Erarbeitetes „hängen“ bleibt und einen über längere Zeit begleiten kann.
Allenfalls Vorgetragenes, das die Hörenden irritiert oder begeistert, wird sie begleiten und sie werden nachfragen.
Doch warum sollte irgendein grundlegender Lehrstoff solche emotionalen Schalter bei den Anwesenden anknipsen können – sei es nun in Rechtsfächern oder anderen…?
Es ist jedenfalls nicht Aufgabe einer Lehrveranstaltung, die Studierenden systematisch mit Höhen und Tiefen ihres Erlebens zu versorgen, sondern sie inhaltlich und methodisch zu informieren.
Reines Zuhörenmüssen bewirkt dies offenbar nicht.
Längst gibt es landauf, landab Seminare zur Weiterbildung für die Lehrenden, die ihre Lernenden „aktivieren“ sollen.
Also werden ständig neue Apps ausprobiert, mit denen man sein Auditorium aktivieren und bei Laune halten kann.
Lehrende als Entertainer… doch die Frage ist, ob diese Art von Aktivierung mit stets neuen Rezepturen tatsächlich den Lerneffekt erhöhen und verbessern kann.
Der Autor des Beitrags, Hanjo Hamann, hat für sich als Alternative die Didaktik des Inverted bzw. Flipped Classrooms entdeckt und erörtert in seinem Beitrag auch die Diskussionen, die es dazu immer wieder mit Studierenden gibt.
Er selbst nutzt diese Vorgehensweise konsequent und vermittelt auch die Gründe dafür.
Mit klaren Worten beschreibt er das, was bei der aktivierenden Didaktik namens Flipped bzw. Inverted Classroom geschieht:
„Studierenden wird vorbereitende (Lehrbuch-)Lektüre aufgegeben, die in Eigenarbeit zu erledigen ist. Mit diesem Wissen und den daraus resultierenden Verständnisfragen gewappnet, kommen sie in den Gemeinschaftsraum, diskutieren mit dem Dozenten, vertiefen den Stoff und üben seine Anwendung in Kleingruppen ein.“
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Nur Gesagtes, Vorgetragenes ist nach spätestens zehn Minuten vergessen.
Selbst Erarbeitetes – ob gelesen oder audiovisuell rezipiert – wird hingegen länger und öfter erinnert. Und es kann dann beim nächsten Meeting – ob in Kleingruppen oder im Plenum – vertieft und erweitert werden.
Prof. Dr. Dr. Hanjo Hamann, JSM (Stanford) ist an der EBS Universität in Wiesbaden Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Immaterialgüterrecht, insbesondere Recht der Digitalisierung und Rechtslinguistik.
Zeitgleich mit der in seinem Beitrag erörterten Vorlesung im Handels- und Gesellschaftsrecht wurde er zum Nachwuchswissenschaftler des Jahres ernannt.