10. Juli 2024 – Gemessen an den zu erreichenden Lernergebnissen versagen auf Vorlesungen gestützte Curricula – doch die Lösung liegt nahe.
Im vorherigen Beitrag haben wir die Stärken der Bloom'schen Lerntaxonomie (1956) kennengelernt: Sie zeigt den Weg zum Verstehen der beiden heutigen Europäischen und Deutschen Qualifikationsrahmen für Hochschulabschlüsse.
Jetzt nehmen wir genauer in den Blick, wie die längst bewährte Methode des Flipped / Inverted Classroom dazu beitragen kann, dass die Ziele der Qualifikationsrahmen auch tatsächlich erreichbarer werden.
Sams und Bergmann (2013) haben die Bloom'sche Lerntaxonomie verwendet, um die Verlagerung der beiden unteren Stufen der Lerntaxonomie auf die Aktivität der Lernenden zu Hause zu rechtfertigen; erst diese Umstellung ermögliche es den Lernenden, höhere Stufen der Lerntaxonomie in den Veranstaltungen eines Kurses zu erreichen (vgl. Sams, A. & Bergmann, J. (2013). Flip your students' learning. Educational leadership, 70(6), 16–20. https://www.ascd.org/el/articles/flip-your-students-learning).
Denn nach der Revision der Bloom'schen Taxonomie durch Anderson et al. (2001) können in traditionellen Lehrveranstaltungen (Vorlesungen) nur die Stufen 1 und 2 realisiert werden, die höheren Stufen bleiben dort dem Selbststudium der Lernenden überlassen.
Im FC- / IC-Modell können alle höheren Niveaus auch in den zur Kontaktzeit gehörenden Kursen behandelt werden (vgl. Anderson, L. W., Krathwohl, D. R., Airasian, P. W., Cruikshank, K. A., Mayer, R. E., Pintrich, P. R., Raths, J. & Wittrock, M. C. (2001). A taxonomy for learning, teaching, and assessing: A revision of Bloom's Taxonomy of Educational Objectives. Longman. Und vgl. Ajmal, F. & Hafeez, M. (2021). Critical review on Flipped Classroom model versus traditional lecture method. International Journal of Education and Practice, 9(1), 128–140. https://doi.org/10.18488/journal.61.2021.91.128.140)
Quelle: Tabelle 3, S. 14, in: Weber, M. (2023). Flipped Classroom in der universitären Lehre – Vergleich zur traditionellen Vorlesungsveranstaltung. Masterarbeit im Fach Erziehungswissenschaft, Universität Regensburg. Abgerufen am 6.7.2024: https://epub.uni-regensburg.de/53510/1/Weber_Flipped.pdf
Mit Hilfe der Tabelle von Michael Weber oder auch der nachstehenden Illustration wird deutlich, dass das FC/IC-Modell Raum schafft für das gemeinsame Erreichen der höheren Stufen der Bloom'schen Taxonomie in den universitären Präsenzveranstaltungen, die in der Regel wöchentlich im Wechsel mit der individuellen Bearbeitung des Inputs (on demand) stattfinden.
Entscheidend ist dabei, eine andere Nutzung der Präsenzzeiten zu realisieren.
„Wenn Inhalte unter bestimmten Zielvorstellungen als zu lehrende und zu lernende Inhalte ausgewählt und bestimmt werden, dann muss dabei immer mitgedacht werden, dass sie sich in Methoden des Unterrichts, des Lehrens und Lernens umsetzen lassen müssen. Insofern ist Didaktik im engeren Sinne unausweichlich auf Methodik angewiesen, nämlich im Hinblick auf die Verwirklichung der gesetzten Ziele, die sich in Lehr- und Lerninhalten niederschlagen.“
Die Inhaltevermittlung wird bei Flipped Classroom methodisch ergänzt um die ebenfalls notwendigen Dimensionen der persönlichen Umsetzung. Diese erhalten durch diese Methode – anders als bei den dominierenden Vortragsveranstaltungen – erheblich mehr Raum und somit Wirkkraft.
Das Arbeiten gemäß dem FC-/IC-Modell kann die Studierenden für das Erreichen ihrer Qualifikationsziele wesentlich besser unterstützen als eine traditionelle Vorlesung!
Je nach Studiengang und Studienziel könnten bei einer Umstellung auf FC / IC die einst ergänzend zu „Vorlesungen“ angebotenen „Übungen“ in die Kontaktzeit des Moduls integriert werden – das wäre neben dem ohnehin um gut 30 Prozent geringeren wöchentlichen Raumbedarf durch FC / IC ein weiterer ressourcensparender Nebeneffekt dieser bewährten Lehr- und Lernmethode.
Die nachstehende Semestermodell einer „umgedrehten“ Veranstaltung zeigt, was wann wo geschieht und welche Stufen der Lernergebnisse gemäß der Bloom'schen Taxonomie jeweils realisiert werden können:
Die Zuweisung der Taxonomie-Stufen (1 bis 5) am Ende der Spalten hilft den Lehrenden, die „Produktionsplanung“ ihres umzustellenden Semesters gezielt zu erledigen.
Ergänzende Tipps:
Bei guter Vorplanung und passend verfügbaren Ressourcen kann das FC-/IC-Modell also den Wandel zu mehr Anwendung und Praxistransfer eines ursprünglich als überwiegend durch Vorlesungen angelegten Unterrichtsfachs entscheidend unterstützen!
Im anwendungsorientierten universitären Medizinstudium nutzen immer mehr Lehrende und Lernende die didaktische Methode des Flipped / Inverted Classroom: