Wie wir erfolgreiches Lernen unterstützen

13. Dezember 2024 – Lernziele sind hilfreich, sofern sie die richtige Ausrichtung erhalten: weg vom auswendiggelernten Abrufwissen, hin zu überprüfbaren und messbaren Kompetenzen, die vom Unterrichtsinhalt getriggert und durch Training erworben werden.

Kompetenzen fördern statt Wissen vermitteln – das ist die Richtung, über die ich hier mit Ihnen sprechen möchte.

Der Unterschied zwischen Wissen und Kompetenz

Onlinekurse und das Flipped Classroom-Prinzip haben das Potenzial, Bildung flexibler, zugänglicher und interaktiver zu gestalten. Doch oft bleiben sie vor der Herausforderung stehen, über die reine Wissensvermittlung hinauszugehen, um echte Kompetenzen bei den Teilnehmenden zu fördern.

Kompetenzen entstehen nämlich erst im zweiten Schritt, also nach der „Wissensvermittlung“, wenn jenes Wissen aktiv angewandt wird – durch eigenständiges Handeln, Reflektieren und Umsetzen.

Mir ist es daher wichtig, darüber nachzudenken, wie wir Onlinekurse und Flipped-Classroom-Konzepte gestalten können, um eben auch Handlungskompetenz zu vermitteln. Dazu werden bekanntlich als zentrale Werkzeuge substantielle Deskriptoren für Lernziele, die Bloom’sche Taxonomie und das Prinzip des Constructive Alignment benötigt. 

Abschließend überlegen wir, wie verpflichtende Anwendungsübungen das Lernen nachhaltig unterstützen können.

Was sollten Teilnehmende nach einem Kurs können?

Der erste Schritt zur Konzeption eines kompetenzfördernden Kurses ist die klare Definition von Lernzielen. Und mit dem Wort „Lernziele“ ist zumindest im hochschulischen Bereich ja nicht gemeint, dass man diese bereits erreicht habe, wenn man mehr oder weniger Auswendiggelerntes mit eigenen Worten wiedergeben kann, sondern wenn man den Input, wie ich Vorgetragenes immer nenne, für eigenständigen Output nutzbar machen kann.  

Passende Deskriptoren werden benötigt, die beschreiben, was die Teilnehmenden nach Abschluss eines Kurses tun können sollen. Die lauten bei jeder Schulungsmaßnahme, bei jedem Kurs anders. 

Zum Beispiel so:

Student. Foto: Sammy-Sander @ pixabay http://coldcasezaken.nl/
Student. Foto: Sammy-Sander @ pixabay http://coldcasezaken.nl/
  • Wissen: „Teilnehmende können die Grundbegriffe der Statistik erklären.“
  • Verstehen: „Teilnehmende können Daten in einem Streudiagramm interpretieren.“
  • Anwenden: „Teilnehmende können einen Datensatz mit statistischen Methoden analysieren.“
  • Analysieren: „Teilnehmende können die Stärken und Schwächen einer Analyse beurteilen.“

Die ausführlichere Bloom’sche Taxonomie hilft uns dabei, Lernziele nach kognitiven Anforderungen zu strukturieren und von bloßem Wissenserwerb hin zur Anwendung und Analyse zu transformieren.

Das Prinzip des Constructive Alignment

Constructive Alignment (eigene Darstellung)
Constructive Alignment (eigene Darstellung)

Um Lernende effektiv zu unterstützen, müssen alle Kursbestandteile – von den Lernzielen über die Materialien bis hin zu den Prüfungen – aufeinander abgestimmt sein.

Diese Abstimmung bzw. Ausrichtung wird als Constructive Alignment bezeichnet:

  1. Angestrebte Lernergebnisse: Definieren, welche Kompetenzen die Teilnehmenden erwerben und was sie daher am Ende des Kurses tun können sollen.
  2. Lehr- und Lernaktiväten: Bereitstellung von Materialien, Aufgaben und Anwendungsübungen, die den Kompetenzaufbau gezielt fördern.
  3. Prüfungsaufgaben: Gestaltung von Tests oder Aufgaben, die genau das messen, was in den Lernzielen / angestrebten Lernergebnissen beschrieben ist.

Skizzieren wir es konkret:

  • Wenn ein Lernziel (also ein angestrebtes Lernergebnis) beispielsweise lautet, „Teilnehmende können eine Präsentation zu einem wissenschaftlichen Thema erstellen“, dann müssen die Kursinhalte auch Anleitungen zur Präsentationstechnik enthalten – und die Abschlussübung sollte das Erstellen und Vortragen einer Präsentation umfassen.
  • Wenn ein Lernziel beispielsweise lautet, „Teilnehmende können auf wissenschaftliche Weise Kampagnen für Medienprodukte entwickeln und begründen", dann müssen die Kursinhalte auch angewandt wissenschaftliches Vorgehen bei einer Kampagnenentwicklung enthalten – und die abschließende Modulprüfung sollte eine konkrete Aufgabe vergleichbarer Art stellen, die selbstverständlich nicht vorher in den Kursanteilen bereits vorgetragen worden war.

Die Teilnehmenden erfahren also zu Beginn eines Kurses oder Kursabschnitts, was am Schluss von ihnen in der Prüfung erwartet wird – und werden dann zielgerichtet daraufhin mitarbeiten und ihre Umsetzungskompetenzen in Übungen trainieren.

Die Rolle von Anwendungsübungen

Warum sind Anwendungsübungen so entscheidend? Weil sie die Lernenden dazu zwingen, Wissen in die Praxis umzusetzen. Dadurch können sie nicht nur erkennen, ob sie den Input verstanden haben, sondern auch ihre Kompetenzen trainieren, die Grundlinien und Methoden und Modelle im Alltag anzuwenden.

Verpflichtende Anwendungsübungen in Kursen

  • Sie sollten am Ende jeder Lektion anstehen: Kleine Aufgaben, die direkt nach der Lektion bearbeitet werden können, z. B. das Lösen eines Problems oder das Anwenden eines Konzepts. 
  • Am Ende jedes Kapitels sind umfangreichere Übungen hilfreich, die die Inhalte eines gesamten Kapitels integrieren. Hier könnten auch realitätsnahe Szenarien oder Fallstudien eingebaut werden.
  • Automatisiertes Feedback (z. B. bei Quizzen) oder individuelles Feedback von Lehrenden hilft den Lernenden, ihre Fortschritte zu überprüfen.

Vorteile verpflichtender Anwendungsübungen

Bei hochschulischen Veranstaltungen ist es bei Lernenden oft unbeliebt, verpflichtend Anwendungsübungen zu machen, sofern sie nicht auch in der zugewiesenen Prüfungsform vorkommen. 

Hilfreich sind sie jedoch sehr:

  • Aktive Auseinandersetzung: Lernende müssen das Wissen aktiv anwenden, was zu einem tieferen Verständnis führt.
  • Fehlermöglichkeiten: Fehler werden Teil des Lernprozesses und helfen, Schwächen zu erkennen und zu beheben.
  • Nachhaltigkeit: Kompetenzen bleiben langfristig bestehen, wenn sie mehrfach geübt und angewendet wurden.

Ob in Onlinekursen oder im Flipped Classroom: erfolgreiches Lernen bedeutet mehr, als Wissen aufzunehmen. Es erfordert eine aktive Auseinandersetzung mit dem Stoff und das Ausprobieren in der Praxis. 

Klare Lernziele, das Prinzip des Constructive Alignment und gut gestaltete Anwendungsübungen können dazu beitragen, dass Lernende nicht nur mehr wissen, sondern auch mehr können.

Für Kursentwickler und Lehrende ist die Gestaltung von verpflichtenden Anwendungsübungen ein zentraler Schritt, um den Kompetenzaufbau zu unterstützen – egal, ob es sich um selbstständige Onlinekurse oder interaktive Flipped-Classroom-Formate handelt. Denn: 

Kompetenz entsteht durch Tun, nicht durch Zuhören!